Gesundheit

25 Covid-Patienten können dank Spenderlunge weiterleben

SARS-CoV2 kann die Lunge so stark schädigen, dass ein Überleben ohne neues Organ nicht möglich ist. Chirurg Konrad Hötzenecker im Interview.

Sabine Primes
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40 Lungentransplantationen wurden bisher in Europa nach einer Covid-19-Infektion durchgeführt. 25 davon in Wien.
40 Lungentransplantationen wurden bisher in Europa nach einer Covid-19-Infektion durchgeführt. 25 davon in Wien.
MedUni Wien

Wer so stark an Corona erkrankt, dass er auf der Intensivstation behandelt werden muss, landet im schlimmsten Fall am maschinellen Lungenersatz (auch ECMO genannt). Ist die Lunge durch das Virus so stark zerstört, dass kein Überleben mehr möglich ist, gibt es die Transplantation einer neuen Lunge als allerletzte Therapieoption. 25 solcher Mega-Operationen hat Dr. Konrad Hötzenecker mit seinem Team am Wiener AKH/MedUni Wien bereits durchgeführt. "Heute" bat um ein Interview.

Wer sind diese Patienten, die ein neues Organ bekommen?

Alle diese Patienten hatten das Krankheitsbild eines Post-Covid-Lungenversagens. Das bedeutet, sie waren intubiert und mindestens 4 bis 6 Wochen an ECMO. Danach kann man sagen, ob die Lunge sich noch regenerieren kann oder ob nur eine Transplantation das Überleben sichern kann. Allerdings eignet sich nicht jeder Covid-Patient für eine Transplantation.

Transplantationschirurg Konrad Hötzenecker vom Wiener AKH
Transplantationschirurg Konrad Hötzenecker vom Wiener AKH
MedUni Wien

Wie lange muss der Patient auf das neue Organ warten?

Die Wartezeit variiert je nach Organ. Können es bei Nieren Jahre sein, wartet man auf eine Lunge nur 3 und 6 Monate. Besteht bei dem Patienten akute Lebensgefahr kann er von Eurotransplant priorisiert werden und erhält damit als Nächster das benötigte Organ. Das kann dann bereits innerhalb von Tagen der Fall sein. Das Wiener Lungentransplantzentrum hat derzeit eine Wartelistenmortalität von 1 Prozent. Jeder Patient kann also davon ausgehen, dass er eine Lunge bekommt, wenn er eine benötigt.

Wer bekommt ein Organ, wer nicht?

Seit Beginn der Pandemie haben wir knapp 200 solcher Anfragen bekommen. Davon konnten wir 25 Patienten operieren. Es ist wichtig, dass der Patient unter 65 Jahre alt ist, vor der Erkrankung fit war, dass sein Herz, Nieren und Leber einwandfrei funktionieren und dass er kein starkes Übergewicht hat. Leider scheitern manche Transplantationen am Gewicht der schwer COVID Erkrankten, die mehrheitlich übergewichtig sind. Das Problem: Der Bauch drückt über das Zwerchfell auf die Lunge, was die volle Entfaltung der Lunge verhindert. Dadurch werden große Teile der Lunge nicht beatmet, was nach einer Transplantation zu schweren Infektionen führen kann. Das Gewebe nimmt Schaden und kann absterben.

"Nicht jeder Covid-Patient eignet sich für eine Transplantation"

Die Entscheidung darüber, ob jemand ein geeigneter Kandidat ist, fällt nicht der operierende Chirurg alleine, sondern ein Komitee von 10-20 Ärzten, die alle zwei Wochen zusammenkommen und jeden Fall beraten. Auch psychologische Tests sind vorgeschrieben. Diese überprüfen genau, ob der Patient in der Lage ist, alles zu tun, um gut auf das neue Organ aufzupassen und therapietreu die Medikamente einzunehmen. Ergeben die Tests, dass er das nicht einhalten kann, disqualifiziert er sich für ein Spenderorgan. Ein Grund, weshalb zum Beispiel aktive Alkoholiker keine neue Leber bekommen. Ist ein COVID-Patient für eine Lungentransplantation geeignet, kommt er auf die Transplantationsliste und wird ins AKH überführt. Dort wartet er auf sein Organ. Das Wiener Lungentransplantationsprogramm ist ein sehr gut etabliertes und im internationalen Spitzenfeld agierendes Programm. Wir haben über die Jahre hinweg das Know-How entwickelt, um eben auch solche komplexen Transplantationen durchführen zu können. Die Chirurgie ist nur ein kleiner Teil. Der große Teil betrifft die Organisation und Infrastruktur. Um diese Patienten kümmert sich ein riesiges Team.

Inwiefern beeinflusst die Infektion die Operation?

Der Eingriff ist um einiges komplizierter, weil die Patienten in einem viel schlechteren Allgemeinzustand sind als normale Lungentransplant-Patienten. Die Wochen davor im Koma und an der ECMO hinterlassen deutliche Spuren. Das Lungengewebe ist oft stark verwachsen oder zerfallen. Eine Standard-Lungentransplantation dauert etwa 4 bis 6 Stunden, bei einem Post Covid-Patienten hingegen 8 bis 12 Stunden.

Wie hoch ist die Sterblichkeit?

Einige wenige Patienten haben es trotz der Transplantation nicht aus der Intensivstation geschafft. Mache verstarben an Leberproblemen nach der Operation, obwohl die neue Lunge gut funktionierte. Das kommt daher, weil es nach der Infektion zu Schäden in den Gallengängen kommen kann. Allerdings geht es der überwiegenden Mehrheit der COVID-Transplantierten sehr gut – viele sind bereits wieder zu Hause und voll zurück in ihrem Leben.

"Die 5-Jahres Überlebensrate liegt bei normalen Transplantationen bei 75 Prozent. Diese Rate wird bei Post Covid-Patienten wahrscheinlich etwas niedriger sein."

Wie sieht die Prognose für Lungen-Transplantierte aus?

Nach einer Standard-Transplantation folgen 3 Wochen stationärer Aufenthalt, danach 4 Wochen Reha. Post-Covid Patienten sind nach der Transplantation viel länger auf der Intensivstation, viel länger auf der Normalstation und brauchen auch viel länger Reha. Mit einer neuen Lunge kann man eine exzellente Lebensqualität erreichen. Auch sportlich sind die Patienten wieder leistungsfähig. Natürlich ist die Haltbarkeit eines transplantierten Organs im Gegensatz zum eigenen begrenzt. Statistiken zeigen, dass bei Patienten, die aufgrund einer anderen Erkrankung eine neue Lunge bekommen, die 5-Jahres Überlebensraten bei 75 Prozent liegen. Diese Rate wird bei Post Covid-Patienten wahrscheinlich etwas niedriger sein. Aber da wir noch keine 5-Jahres-Überlebensraten haben, lässt sich das noch nicht sicher sagen.

Wie war der Impfstatus der bisherigen Post Covid-Patienten?

Bis auf einen, waren alle Patienten ungeimpft. Der Grund: Die bisher Transplantierten erkrankten überwiegend in der ersten, zweiten oder dritten Welle, wo es noch keine flächendeckende Impfung gab. Aktuell gehen bei uns die Anfragen der vierten Welle ein, auch durchwegs Ungeimpfte. Das sind keine klassischen Impfgegner oder Menschen, die die Schulmedizin infrage stellen, sondern die meisten hatten Angst vor der Impfung und haben sich schlecht informiert. Sie würden wahnsinnig gerne das Rad zurückdrehen und sich impfen lassen.

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